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„Was ist in diesem Augenblick geschehen? Genügt wirklich nur ein einziger tiefer Blick des anderen?
Ein Anschauen oder besser gesagt ein Hineinschauen in den anderen?
Sie hat das Gefühl, dass es Herr Kainz ist, der sie in diesem Augenblick in ihrem Kern erfasst, sie erkennt, sie sieht und versteht.“

Eine feinsinnige und auch sehr berührende Erzählung über die Ohnmacht in den Zeiten der Pandemie. 
Robert Schneider (Schriftsteller)

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LESEPROBE

Im eigenen Zuhause kommt sie sich deplatziert vor wie in einem falschen Film.
Sie kann mit der Handlung nichts anfangen, versteht die Sprache nicht,
muss sich neues Vokabular aneignen wie Lockdown, Social Distancing und Inzidenz.
Sie kann jetzt den Kinosaal nicht wechseln, hofft trotzdem auf ein Happy End.
Happy Endings findet sie in den zunehmenden Runden mit dem Hund,
die ihr einen Tapetenwechsel bescheren, wo die Gedanken freien Lauf haben.

Jedoch hat sie diesen kleinen Park manchmal satt, weil er ihr so unspektakulär und wenig originell vorkommt.
Landschaftsarchitekten waren hier nicht am Werk, denkt sie sich jedes Mal, wenn sie hier ist.
Diese Grünfläche wurde aber schon von manchen Aktivisten schwer verteidigt, damit sie nicht ehrgeizigen Bauprojekten zum Opfer fällt.
Der Hund ist frei und schnuppert zufrieden an den kahlen Büschen im Park. Selbst im März hat die Sonne schon Kraft. 
Trotzdem sitzt sie am liebsten hier, den freien Himmel über sich und den Hund im Blick.

In dem Park trifft sie auf eine Bronzestatue.
Entspannt sitzt sie auf der Bank, beide Arme entlang der Lehne ausgebreitet, atmet tief ein und aus.
Ihr Brustkorb weitet sich. Sie spürt, wie sie zur Ruhe kommt, wie sich ihre Gesichtszüge lockern,
ihre Stirnfalten sich lösen, wie sie Erholung erfährt und Kräfte sammeln kann.
Dieses Mal blinzelt sie auch zur Bronzestatue hinüber und ihr Blick bleibt an ihr hängen.
Es ist keine Büste, sondern eine Figur, die einen lebensgroßen Mann auf einem Podest darstellt.
Die gesamte Skulptur ist umringt von gleich hohen Büschen,
sie vermutet, dass es Fliederbüsche sind, die im Mai duften werden.
Eine stimmige Ansicht.
Wie oft war sie hier schon vorbeigekommen und hatte dem Ganzen nicht wirklich Beachtung geschenkt?
Ihr Blick wandert weiter und entziffert, was im Sockel eingraviert ist:
„Dem Schauspieler Josef Kainz.“

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INFORMATIONEN ZUM BUCH

Sylvie Reidlinger
HERR KAINZ UND ICH
Verlag am Sipbach, ISBN: 978-3-903259-50-8
1. Auflage Mai 2024
Softcover, 114 Seiten, € 20,90
 

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