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Marta denkt über das Leben nach, über das Glück und die Liebe,
das Versteckspiel der Sonne und darüber, was normal ist.
Ihr erzählen die Menschen ihre Geheimnisse,
während sie ihr eigenes hütet wie die Kommode ihrer Tante.

„Mit einem Mal sah Marta vor sich ihre Geschichten und ihre Blicke
einen nach dem anderen wie Einzelbilder vorbeiziehen
und begriff, dass auch sie wie die anderen
eine andere kleine, winzige, immense Welt war,
die sich darstellt, um ein wenig Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen,
wie eine bunte Wäscheklammer auf der gespannten Leine der Ereignisse.“

Hier eine feine Rezension von Helmuth Schönauer in der NEUEN SÜDTIROLER TAGESZEITUNG.

Marta in DIE STEIRERIN.

Marta in DER GRAZER (Seite 9).

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LESEPROBE

Marta hatte einen Hund, den ihr eines Tages Frau Rastainer, die Frau des Zahnarztes vom vierten Stock,
gebracht hatte; sie war schön, blond und Österreicherin aus Salzburg.
Larissa war mit ihren Hunden Sarnauser und Crauss immer allein zu Hause,
es waren zwei österreichische Jagdhunde, die ihr ihr Bruder geschenkt hatte.
Franca, die Putzfrau, tat nichts anderes, als immer wieder zu sagen:
„Diese beiden Hunde, die behandelt sie wie Menschen!
Sie nimmt sie sogar mit ins Bad, wenn sie sich duscht, sie spricht mit ihnen
und auf dem Sofa schauen sie zusammen fern.
Jeden Abend um sieben gibt es eine Telenovela auf dem österreichischen Kanal und sie verpassen keine Folge.
Und dann sollten Sie sehen, was sie ihnen zu essen gibt!
Rouladen, Pastete, Würste, sogar Laiberln!
Aber dem Zahnarzt lässt sie gerade einmal ein bisschen Kraut oder Bruschette mit Tomaten!“
Wenn sie über den Zahnarzt sprach, bedeckte Franca den Mund mit der Hand und sprach leise,
und deutete somit etwas an, das nie jemand verstand.

Larissa Rastainer war schön wie der Donaukanal, erhaben wie die Innere Stadt und groß,
sie duftete gut und hatte zwei schöne, gemeißelte Knie und die Knöchel einer Herzogin.
Ihre Pfennigabsätze durchquerten das Wohnhaus,
ihre glänzenden und spitz zulaufenden Schuhe stiegen das Stiegenhaus hinauf und hinunter,
und jedes Mal schien es, als hörte man den rhythmischen Teil von Smoke on the Water.
Sie und Marta grüßten sich jeden Morgen draußen im Hof,
wenn Sarnauser und Crauss ihren ersten Spaziergang machten und Marta in das Handarbeitsgeschäft eilte.
Es war sonderbar, dass Larissa mit jemandem sprach,
aber Marta war ihr sympathisch, ihr gefielen ihre gepunktete Kleidung, ihre Einkaufstaschen,
ihre kurzen und flinken Schritte, alles in allem gefiel ihr ihr Wesen, das immer außerhalb der Dinge lag.
Jeden Tag tauschten die beiden schüchtern einen Gedanken, eine Plauderei aus.
„Diesa Goartn is etwås in Unordnung, finden S’ ned, Marta?“
„Wir haben den Verwalter erst gestern angerufen, Signora Rastainer.
Sie werden sehen, er wird uns einen vorbildhaften Gärtner schicken und Ihre Hunde werden eine schöne, neue Wiese haben.“
„Groß is Ihr Optimismus! Schauma, schauma. Bis bald, meine Liabe!“

Das hatte ihr die schöne Larissa eines Morgens im Mai gesagt.
Zu Mittag auf dem Weg nach Hause trafen Marta und Larissa sich wieder im Stiegenhaus.
Frau Rastainer wirkte sehr angespannt, sie rauchte und fixierte dabei die Leere mit einem Paar roter Schuhe aus Wildleder.
„Ist alles in Ordnung, Signora Rastainer?“
„Es is ned schön, zu erfåhrn, dass a Liab am End is, liabe Marta.“
„Das ist nicht schön, nein! Aber das Ende ist ein Recht, glaube ich. Wie auch der Anfang.“
„Des is woar, des is woar. Aber wissen S’, wenn’s um Kinda geht, is a sterbende Liab ned sehr guat.“

Marta wollte nicht aufdringlich sein.
Von welchen Kindern sprach sie?
Der Zahnarzt war unfruchtbar, alle wussten das, und für Frau Rastainer war das nie ein Problem gewesen.
Es gab einen Augenblick des Schweigens, Frau Rastainer blickte hinunter auf ihre Schuhe,
dann sagte sie: „Crauss hat heut Nåcht a Hundal zur Wöd bråcht.“
„Ich gratuliere, Signora. Die Familie wächst!“
„Die Familie is am End! Sarnauser und Crauss liaben sich ned mehr, sie leben z’sammen, oba wie getrennt.“
„Wie haben Sie das herausgefunden?“
„Des sicht ma! I seh des! Sarnauser liabt sie ned mehr, er schaut sie ned an, er wartet ned auf sie beim Essen, er begehrt sie ned.“
„Das tut mir sehr leid, Larissa.“
„Jå, åba Crauss is sehr stoark.
Des Oanzige, des i ned måg, is, dass des kloane Hundal in einer ned vereintn Famülie aufwåchst.“
„Und was haben Sie beschlossen zu tun?“
„I måg des kloane Hundal dir gebm, Marta.“
„Mir?“
„Du bist a sehr höfliche Person, mit dir kånn er in großer Freiheit und Unbeschwertheit aufwåchsn.
Åber in da Näh von den Öltan bleibn, se kennenlernen und liabm.“
Wie liebevoll Larissa war! Ihre Zurückhaltung war nur eine Maske, wie Zuckerlpapier.
Marta war sehr glücklich, einen neuen Freund zu haben, sich um ihn zu kümmern und ihn ihren Freunden vorzustellen.
Larissa brachte ihr den Welpen ein paar Tage später,
Crauss musste ihn säugen und vor allem musste sie die Trennung verarbeiten.
Gaetano war nicht sehr erfreut über seine Ankunft, aber Marta sagte ihm:
„Du wirst dich daran gewöhnen! Ansonsten dienstags keine gekochte Kartoffel mehr!“
Natürlich war die angekündigte Erpressung nur eine Abschreckung,
aber Gaetano brauchte hin und wieder eine Auffrischung des Bewusstseins
und Marta wusste, wie sie es anstellen musste.
Der Welpe war sehr herzig.
Die alpine Herkunft ließ sich schon erahnen, er war ein geborener Kletterer,
er bevorzugte Schuhschränke und Stiegen, hängte sich wie ein Turner daran
und hatte ein einziges Laster: Melanzani-Laiberln.

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Informationen zum Buch

Valentina Di Cesare
MARTA
Übersetzt von Claudia Lederbauer
Verlag am Sipbach, ISBN: 978-3-903259-23-2
1. Auflage Oktober 2020
Softcover, 228 Seiten, € 19,80

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